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Erbschaftssteuerreform inheritance tax reform Die jüngsten Reformen des deutschen Erbschaftssteuerrechts haben mit Wirkung zum 01.01.2009 und zum 01.01.2010 stattgefunden. Anlass für die erste und umfassendere Reform war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.2006 (Az. 1 BvL 10/02). Das Gericht forderte darin den Gesetzgeber auf, das Erbschaftssteuersystem bis Ende 2008 zu reformieren. Eine Kernforderung war, dass für alle Erbschaftsgegenstände eine Bewertung nach dem gemeinen Wert beziehungsweise Verkehrswert eingeführt werden soll, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Insbesondere wurde das bisherige Verfahren bei der Bewertung von Betriebsvermögen, Grundvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften angegriffen. Diese Erbschaftsgegenstände würden oft weit unter ihrem tatsächlichen Wert angesetzt.

Mit der zum 01.01.2009 eingetretenen Reform des Erbschaftssteuerrechts wurden diese Forderungen umgesetzt. Zum 01.01.2010 erfolgte eine Anpassung der Vorschriften im Rahmen des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes mit dem Ziel, der Wirtschaftskrise entgegen zu wirken. Im Immobilienbereich wirken sich besonders folgende Änderungen beider Reformen aus:

  • Erhöhung der Freibeträge (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner: 500.000 Euro, Kinder: 400.000 Euro, Enkel, deren Eltern verstorben sind: 200.000 Euro);
  • Weitgehende Gleichstellung eingetragener Lebenspartner mit Ehegatten; Lebenspartner bleiben jedoch in Steuerklasse III, was sich auf den Steuersatz auswirkt;
  • Anhebung der Steuersätze in Steuerklassen II und III;
  • Steuerbefreiungen für selbstgenutzte Wohnimmobilien in EU: steuerfrei für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, wenn der Erbe die Immobilie zehn Jahre als Hauptwohnsitz selbst nutzt, ebenso bei Kindern oder Enkeln, deren Eltern nicht mehr leben, mit der Einschränkung, dass nur Immobilien bis zu 200 Quadratmeter Wohnfläche steuerfrei sind. Darüber hinaus gehende Flächen müssen versteuert werden.
  • Stundung: Bei vermieteten Wohnimmobilien und selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen wird Erbschaftssteuer für bis zu zehn Jahre gestundet, wenn ihre Entrichtung den Verkauf der Immobilie nötig machen würde. Für die Dauer der Selbstnutzung kann Stundung bei Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen gewährt werden. Kann auch nach Ende der Selbstnutzung (zum Beispiel durch Vermietung) die Steuer nur durch Verkauf bezahlt werden, kann sogar weiterhin gestundet werden. Zinslos ist die Stundung nur bei Erbschaften, nicht bei Schenkungen (§ 28 ErbStG).
  • Beim Erben von Betrieben kann der Steuerpflichtige seit 01.01.2009 zwischen zwei Modellen unwiderruflich wählen. Hier wurden zum 01.01.2010 die Voraussetzungen für Steuererleichterungen abgemildert. Beim 5-Jahres-Modell (vorher: 7-Jahres-Modell) versteuert der Erbe 15 Prozent des Betriebsvermögens sofort. Hält er den Betrieb fünf Jahre lang (zuvor: sieben Jahre lang), bleiben 85 Prozent steuerfrei. Die Lohnsumme darf nicht unter 400 Prozent (zuvor: 650 Prozent) der Ausgangslohnsumme sinken (das ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor dem Erbfall). Ferner darf das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 Prozent des Betriebsvermögens ausmachen. Auch die restlichen 15 Prozent des Betriebsvermögens bleiben außer Ansatz, sofern das Vermögen nicht mehr als 150.000 Euro beträgt. Bei größeren Vermögen verringert sich dieser sogenannte gleitende Abzugsbetrag anteilig (§ 13a Abs. 2 ErbStG). Beim 7-Jahres-Modell (zuvor: 10-Jahres-Modell) fällt für das gesamte Betriebsvermögen keine Erbschaftssteuer an, wenn der Erbe den Betrieb sieben Jahre (zuvor: zehn Jahre) lang fortsetzt, die Lohnsumme während dieser Zeit nicht unter 700 Prozent (zuvor: 1.000 Prozent) der Ausgangslohnsumme sinkt und das Verwaltungsvermögen zehn Prozent des Betriebsvermögens nicht überschreitet. Werden die Bedingungen nicht eingehalten, findet eine Nachversteuerung statt.
  • Steuererleichterung für vermietete Immobilien: Diese werden nach § 13c ErbStG nur mit 90 Prozent ihres Wertes angesetzt.
  • Bewertungsverfahren: Geändert wurden die Bewertungsregeln im Bewertungsgesetz und im Baugesetzbuch. Die neuen für jede Immobilienart unterschiedlichen Bewertungsregeln sollen dazu führen, dass der Immobilienwert sich stärker am "gemeinen Wert" bzw. Verkehrswert ausrichtet.

Für im Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2008 angefallene Erbschaften konnten Erben eine rückwirkende Anwendung der neuen Regelungen beantragen. Dies galt nicht für Freibeträge und Bewertungsvorschriften, sondern ausschließlich für die neuen Verschonungsvorschriften für Betriebsvermögen und vermietete Wohnimmobilien sowie die Steuerbefreiungen für Ehegatten und Kinder bei Selbstnutzung.

Im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes wurden nicht nur die Voraussetzungen für Steuerbefreiungen für Erben von Betrieben abgemildert, sondern auch die Steuersätze in der Steuerklasse II (zum Beispiel für Geschwister) nach der ursprünglichen Anhebung vom 01.01.2009 wieder gesenkt (von 30 bis 50 Prozent auf 15 bis 43 Prozent).

Mittlerweile wurden eingetragene Lebenspartner den Ehegatten auch in Hinblick auf die Steuerklasse gleichgestellt: Für sie gilt jetzt Steuerklasse I (§ 15 ErbStG). Anwendbar sind damit Steuersätze zwischen sieben und 30 Prozent.